15.- / 25.- / 35.-
«Es gibt keinen Safe, der das Leben bewahren kann» - Philosoph Ailton Krenak (Teiresias in «Antigone in the Amazon») über Natur und Neutralität
Auch diesmal landet Milo Rau einen buchstäblich gewaltigen Theater-Coup: Mit Antigone in the Amazon hat der Schweizer Regisseur einen Abend zwischen Reisebericht, Lehrstück und aktivistischem Reenactment kreiert. Gemeinsam mit Indigenen, Landlosen-Aktivist*innen und Akteur*innen des NTGent entwickelte er eine politische Antigone für das 21. Jahrhundert.
«Vieles ist ungeheuerlich, doch nichts so ungeheuerlich wie der Mensch» heisst es in Antigone von Sophokles.
In Antigone in the Amazon begehrt eine indigene Antigone in einem dramatischen Abend gegen Kreons staatlich organisierte Tyrannei auf – ein Protest gegen die Macht des neokolonialen Kapitals: In Brasilien, wo vor 500 Jahren mit der Kolonialisierung die grosse Katastrophe begann und wo etwa 10 Prozent der Bevölkerung 80 Prozent des Bodens besitzen, setzt sich die Landlosenbewegung (MST) für eine radikale Landreform ein. Auf der mit staubiger Erde bedeckten Bühne bleibt daher wenig an zurückhaltendem Schauspiel übrig. Von der Leinwand agieren die Aktivist*innen der Landlosen als Chor und kommentieren das Bühnengeschehen zwischen Kreon, Antigone, ihrem Verlobten Haimon und dessen Mutter Eurydike: Gewalt, Mord, Selbstmord und ein Reenactment des erschütternden Massakers von 1996 werden - wie im antiken Theater - Teil einer Traumabewältigung.
Als Antigone agiert auf der Leinwand Kay Sarah, indigene Schauspielerin, die schon während der Pandemie mit einer flammenden Eröffnungsrede der Wiener Festwochen gegen Bolsonaros Amazonas-Abholzung und das Schweigen Europas aufbegehrte. Die Musik des Abends kommt u.a. vom Basler Musiker Elia Rediger, bekannt aus seiner Arbeit mit der Group50:50 und The Bianca Story, dessen neues Projekt im Oktober in der Kaserne Premiere haben wird. Als Teiresias erscheint Ailton Krenak: Schriftsteller, Philosoph und indigener Aktivist des Volkes Krenak: Für alle die sich mehr für seine radikalen Perspektiven interessieren, empfehlen wir sein Buch Ideen, um das Ende der Welt zu vertagen.
«Rau has perfected the art of bringing real events onstage, by laying bare the process and inviting audience members to think along.» (New York Times)
«Grosser Applaus im Burgtheater für eine grosse Arbeit, mit der Milo Rau nicht nur gezeigt hat, dass er Theater kann, sondern auch seinen gesellschaftlichen aktivistischen Anspruch im Theater nochmal klar gemacht hat.» (Dagmar Walser, SRF)
«Kein einziges Video, das nicht ins Schwarze trifft. Kein einziges Wort, das die Bilder nicht unterstreicht. Nicht eine Bewegung auf der Bühne, die nicht mit den Bildern übereinstimmt. Es setzt sich die Erkenntnis durch, dass das Theater, wenn es sich so weit aus seiner Komfortzone herausbewegt, etwas erleben und verstehen lässt, das so viel grösser ist als es selbst, und das wir sind.» (Le Monde)
Dauer: ca. 100 Minuten
Publikumsgespräch am 22.09.
Programmheft (Englisch)
Auch spannend: «Antigone» ist ab dem 8. September am Theater Basel in einer schweizerdeutschen Fassung von Lucien Haug zu erleben. Regisseur Antú Romero Nunes erzählt gemeinsam mit einem Chor von Basler*innen und den beiden Spieler*innen Sven Schelker und Vera Flück den Mythos um Antigone zum ersten Mal in Mundart.
Biografie
Milo Rau, geboren 1977 in Bern, Regisseur und Autor, ist seit 2007 Künstlerischer Leiter des IIPM - International Institute of Political Murder. Von 2018-2023 war Rau zusätzlich Künstlerischer Leiter des NTGent (Belgien), seit Juli Intendant der Wiener Festwochen. Seit 2002 veröffentlichte er über 50 Theaterstücke, Filme, Bücher und Aktionen. Am 12. September erschien bei Rowohlt sein neues Buch Die Rückeroberung der Zukunft. Seine Theaterproduktionen waren bei den grossen internationalen Festivals zu sehen, darunter das Berliner Theatertreffen, das Festival d’Avignon, die Biennale Venedig, die Wiener Festwochen und das Brüsseler Kunstenfestivaldesarts und tourten weltweit. Zu Raus bekanntesten Arbeiten, viele davon waren schon in der Kaserne Basel zu sehen, gehören Die letzten Tage der Ceausescus (2009), Hate Radio (2011), Breivik’s Statement (2012), Die Moskauer Prozesse (2013) und Five Easy Pieces (2016). Seine Europa-Trilogie, bestehend aus The Civil Wars, The Dark Ages und Empire beschäftigt sich mit der europäischen Geschichte von Krieg, Flucht und Verbrechen an der Menschlichkeit. Sein Film Das Neue Evangelium wurde 2021 mit dem Schweizer Filmpreis für den besten Dokumentarfilm ausgezeichnet.
Credits
Spiel
Frederic Araujo, Sara De Bosschere, Arne De Tremerie, Pablo Casella
Auf Video
Kay Sara, Gracinha Donato, Célia Maracajà, Chor der Militanten des Movimento dos Trabalhadores Rurais sem Terra (MST), und als Teiresias, Ailton Krenak
Konzept & Regie
Milo Rau
Text
Milo Rau & Ensemble
Dramaturgie
Giacomo Bisordi
Musikkomposition
Elia Rediger, Pablo Casella
Dramaturgische Mitarbeit
Douglas Estevam, Martha Kiss Perrone
Dramaturgieassistenz
Kaatje De Geest, Carmen Hornbostel
Mitarbeit Konzept, Research und Dramaturgie
Eva-Maria Bertschy
Set Design
Anton Lukas
Kostüm Design
Gabriela Cherubini, Jo De Visscher, Anton Lukas
Licht
Dennis Diels
Video
Moritz von Dungern
Video making of
Fernando Nogari
Video editing
Joris Vertenten
Regieassistenz
Katelijne Laevens
Regiehospitanz
Chara Kasaraki, Lotte Mellaerts
Produktionsmanagement
Klaas Lievens, Gabriela Gonçalves
Assistenz Produktionsmanagement
Jack Do Santos
Technisches Produktionsmanagement
Oliver Houttekiet
Inspizienz NTGent
Marijn Vlaeminck
Technik NTGent
Max Grymonprez, Sander Michiels, Raf Willems
Dank an
Carolina Bufolin
Produktion
NTGent
Koproduktion
The International Institute of Political Murder (IIPM), Festival d'Avignon, Romaeuropa Festival, Manchester International Festival, La Villette Paris, Tandem - Scène nationale (Arras Douai), Künstlerhaus Mousonturm, Equinoxe Scène Nationale (Châteauroux), Wiener Festwochen
Kooperation mit
Movimento dos Trabalhadores Rurais Sem Terra (MST)
Unterstützung von
Goethe Institut Saõ Paulo, PRO HELVETIA COINCIDENCIA - Kulturaustausch Schweiz - Südamerika, The Belgian Tax Shelter